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Im Gespräch mit Prof. Dr. Claudia Kammann

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Die Hochschule für Weinbau in Geisenheim, Deutschland, verbindet die Leidenschaft für Wein mit fundierten und praxisorientierten Lehrinhalten und bereitet internationale Studierende in den Fächern Weinbau und Oenologie sowie Internationale Weinwirtschaft auf aktuelle und künftige Herausforderungen in ihrem Berufsfeld vor. Dabei sorgt der direkte Transfer von Forschungsergebnissen in die Praxis dafür, dass die künftigen Winzer optimal auf aktuelle und zukünftige Herausforderungen in ihrem Berufsfeld vorbereitet sind. Im WeinChat sprechen wir in dieser Ausgabe mit Prof. Dr. Claudia Kammann darüber, was der Klimawandel und seine Folgen für den internationalen Weinabbau bedeutet.
Prof. Dr. Claudia Kammann ist seit 2014 Professorin für Klimafolgenforschung an Sonderkulturen an der Hochschule Geisenheim University und leitet dort das Institut für angewandte Ökologie. Neben ihrer Professur ist Claudia Kammann zudem international anerkannte Expertin für den Einsatz von Pflanzenkohle zur Anpassung und Minderung des Klimawandels und leitet zahlreiche Forschungsprojekte zu Strategien, mit mit denen wir dem Klimawandel entgegenwirken und uns an ihn anpassen können.
Erzählen Sie uns doch bitte in ein paar Sätzen, wie Sie aktuell die Stimmung in der Weinbranche wahrnehmen?

Prof. Dr. Claudia Kammann:
Die Stimmung in der Weinbranche ist vielerorts angespannt. Besonders kleinere Familienbetriebe haben zu kämpfen, da der Weinkonsum zurückgeht und die Eigenvermarktung für viele essenziell geworden ist. Gleichzeitig kommen Herausforderungen durch den Klimawandel hinzu: Hitzejahre, Spätfrostgefahr durch verfrühten Austrieb und eine vorgezogene Lese stellen die Winzer vor immer neue Probleme. Die veränderten Wetterbedingungen sorgen dafür, dass die Betriebe schneller reagieren müssen und die Ernte oft unter großem Zeitdruck erfolgt. Viele kleinere Betriebe geraten dadurch stärker unter Druck als größere Weingüter, die eher die finanziellen Mittel für moderne Technik und Anpassungen haben.

Der Klimawandel setzt Winzern weltweit zu und lässt die Ernteerträge sinken. Wie können sich Winzer wappnen? Was raten Sie ihnen?

Prof. Dr. Claudia Kammann:
Winzer sollten ein besonderes Auge auf Spätfrostgefahr haben und bei Bedarf Schutzmaßnahmen wie Heizkabel in frostgefährdeten Lagen nutzen. Zudem ist die maschinelle Aufrüstung essenziell, um in kritischen Phasen schnell ernten zu können. Eine gute Bodenpflege hilft, Wasser besser aufzunehmen und die Reben widerstandsfähiger zu machen. Pflanzenkohle etwa kann in den Boden eingearbeitet werden, um dessen Struktur und Wasserspeicherfähigkeit zu verbessern. Auch Sonnenschutzmaßnahmen an den Reben, wie das Auftragen reflektierender Schutzmittel, können Hitzeschäden verringern. Letztlich ist die Anpassung an den Klimawandel eine Summe vieler kleiner Lösungen, die in jedem Betrieb individuell angepasst werden müssen.
An der Hochschule für Weinbau in Geisenheim, Deutschland, wird eine neue Generation Winzer ausgebildet und gezielt auf die damit verbundenen Herausforderungen vorbereitet. Welche Rolle spielen der Klimawandel und der Umgang mit Wetterextremen in Lehre und Forschung an Ihrer Hochschule?

Prof. Dr. Claudia Kammann:
Der Klimawandel ist in Geisenheim längst fester Bestandteil von Lehre und Forschung. Die Studierenden, viele aus Winzerfamilien, erleben die Auswirkungen oft selbst. Themen wie Spätfrostschutz, Sonnenbrand, verfrühte Reife und Mostgewicht sind daher allgegenwärtig. Es wird erforscht, wie Reifeprozesse verzögert werden können, um die Frische von Sorten wie Riesling zu bewahren. Neue Anbaumethoden wie Agri-PV, die Stromerzeugung mit Schutz der Reben kombinieren, sowie der Vergleich ökologischer und konventioneller Anbauweisen in Extremjahren gehören ebenso dazu. Ziel ist es, den Nachwuchswinzern Werkzeuge an die Hand zu geben, um flexibel auf die neuen Herausforderungen reagieren zu können.

Die Produzenten werden sich weltweit auf die Veränderungen einstellen und reagieren müssen. Welche Auswirkungen wird das auf Weinfans überall auf der Welt und ihren Weinkonsum haben? Und sehen Sie auch positive Entwicklungen, die durch den Klimawandel entstehen oder befördert werden?

Prof. Dr. Claudia Kammann:
Winzer müssen flexibler auf die Jahrgangsbedingungen reagieren, was auch zu geschmacklichen Veränderungen führen kann. Manchmal bedeutet das einen Vorteil, weil Rebsorten wie Riesling zuverlässiger reifen. Andererseits kann zu schnelle Reife auch die Aromatik verändern. Insgesamt wird die Unberechenbarkeit größer. Positive Effekte sind, dass der Weinbau sich nach Norden ausdehnt – etwa mit Qualitäts-Schaumweinen aus England – und Winzer verstärkt ein innovationsfreudiges Mindset entwickeln. Diese Experimentierfreude bringt frische Ideen und neue Weinstile hervor, was am Ende auch die Weinliebhaber erfreut.

Haben Sie eine Lieblingsanekdote zum Thema Wein, die Sie gern erzählen?

Prof. Dr. Claudia Kammann:
Eine klassische Anekdote habe ich nicht, aber eine Geschichte, die mich beeindruckt hat: Ich war bei einem Ökowinzer, der regenerativen Weinbau betreibt. Seine Böden waren so gesund und vital, dass die Reben selbst in heißen Sommern prächtig dastanden, während es bei Nachbarn nach Essigfäule roch. Der Kontrast war frappierend. Diese Beobachtung zeigt, wie entscheidend die Bodenpflege ist und welche Rolle sie für die Widerstandsfähigkeit der Reben spielt. Das war für mich ein Schlüsselmoment, der unsere Forschung in diese Richtung bestärkt hat.

Unsere letzte Frage: Was ist Ihr Lieblingswein? Können Sie uns erzählen, wie Sie ihren persönlichen Lieblingswein kennen- und lieben gelernt haben?

Prof. Dr. Claudia Kammann:
Ich habe keinen einen Lieblingswein, sondern bin neugierig auf Vielfalt. Besonders gerne trinke ich Riesling, wenn er seine honigartigen Fruchtnoten zeigt. Bei Rotweinen mag ich leichte, fruchtige Cuvées mit Barrique-Noten, etwa aus Merlot, Grenache oder Syrah. Besonders spannend finde ich die neuen pilzwiderstandsfähigen Rebsorten. Wenn sie gut gemacht sind, bieten sie nicht nur Genuss, sondern auch Nachhaltigkeit im Glas – das macht mir Freude und zeigt, wie zukunftsgerichteter Weinbau gelingen kann.

Wir bedanken herzlich für das nette und spannende Gespräch mit Ihnen, Frau Kammann.
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