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Im Gespräch mit Urban T. Stagård

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Wer das Kremstal besucht, stößt früher oder später auf den Lesehof Stagård – ein Weingut, das fast so alt ist wie die Stadt Krems selbst. In der zehnten Generation führt Urban T. Stagård das traditionsreiche österreichische Weingut. Die schwedischen Wurzeln stammen von seinem Vater Kenneth Stagård und heute verbindet Urban diese Wurzeln mit einer modernen, biodynamischen Handschrift. Im Gespräch mit wine.vino.wein erzählt er, was die Weinlese auf einem Bioweingut so besonders macht, welche Herausforderungen der Herbst bereithält und welche Geschichten er aus dem Weingarten im Herzen trägt.

Was macht die Weinlese auf einem Bioweingut besonders und wie unterscheidet sie sich von der Weinlese in konventionellen Betrieben?

In meinem biodynamischen Weingut beginnt die Lese schon lange vor dem Herbst. Ich arbeite mit lebendigen Böden, Biodiversität und biodynamischen Methoden, um gesunde, stabile Trauben zu ernten. Chemisch-synthetische Hilfsmittel stehen mir nicht zur Verfügung, also muss ich genauer hinschauen, selektiver lesen und die Trauben oft in mehreren Durchgängen ernten. In konventionellen Betrieben bestimmt häufig der Rhythmus der Maschinen, bei mir entscheidet der Moment der Reife jeder einzelnen Traube. Das macht die Lese zwar aufwendiger, aber auch ehrlicher – so entsteht Charakter im Wein.

Welche besonderen Herausforderungen gibt es beim Bio-Weinbau im Herbst – aber auch im restlichen Jahr – etwa im Umgang mit Pilzkrankheiten oder wechselhaftem Wetter?

Der biodynamische Weinbau bedeutet, dass ich in engen Grenzen arbeite. Gegen Krankheiten wie Peronospora oder Oidium habe ich nur Kupfer und Schwefel zur Verfügung. Deshalb setze ich stark auf Beobachtung, schnelles Handeln und die Kraft der biodynamischen Präparate wie Hornmist und Hornkiesel, die die Reben stärken und die Böden vital halten. Dazu kommen die Wetterextreme: Spätfrost im Frühjahr, Hitze im Sommer, Feuchtigkeit im Herbst. Jede Saison fordert, dass ich flexibel bleibe und nie in Routine verfalle. Genau das macht meinen Beruf aber lebendig und spannend.

Jede Saison fordert, dass ich flexibel bleibe und nie in Routine verfalle

Wie entscheidest du, wann der perfekte Zeitpunkt für die Lese gekommen ist? Gibt es auf deinem Weingut ein besonderes Ritual, das du jedes Jahr zur Lese pflegst?

Ich treffe die Entscheidung nicht allein nach Zucker, Säure oder pH-Werten. Für mich zählt der Geschmack. Wenn die Trauben golden und aromatisch sind, die Kerne nussig braun und der Geschmak klar wirken, dann weiß ich, dass es soweit ist. Mein Ritual ist ganz einfach: ich gehe in den Abendstunden durch die Weingärten, koste die Beeren in Ruhe und höre in mich hinein. Dieser stille Moment nach einem langen Tag im Weingarten ist für mich jeden Tag der Startschuss für den nächsten Lesetag.

Erinnerst du dich an eine besonders eindrucksvolle oder vielleicht auch kuriose Lese in den letzten Jahren?

2014 bleibt mir unvergessen. Es war ein Jahr voller Regen und Botrytis, wir mussten Traube für Traube selektieren. Am Ende sind aber große, langlebige Weine entstanden. Diese Erfahrung hat mir gezeigt, dass Einsatz und Konsequenz über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Kurios war dagegen die Lese 2018, als wir mitten in einer Hitzewelle gelesen haben und die Trauben fast zu schnell reif wurden – da war Flexibilität angesagt. Beide Jahrgänge sind „große“ Jahrgänge.

Wenn du an den aktuellen Jahrgang denkst – worauf dürfen sich die Weinfreunde deiner Meinung nach besonders nach freuen? 

2025 zeigt sich bis jetzt als Jahr der Balance. Gesunde Trauben, klare Aromatik, eine schöne Spannung zwischen Frische und Reife. Die Lese bringt Trauben mit einer feinen Säurestruktur und präziser Frucht. Ich bin überzeugt, dass die Weinfreunde sich auf elegante, lebendige Rieslinge und Grüner Veltliner freuen dürfen, die ihre Herkunft und Jahrgang sehr deutlich ausdrücken - für mich ein Jahrhundert-Jahrgang.

Hast du eine Lieblingsanekdote zum Thema Wein, die du gern erzählst? 

Eine Geschichte erzähle ich gern: Als ich vor vielen Jahren einen Riesling aus einer sehr alten Parzelle probiert habe, war ich überrascht, wie lebendig und tiefgründig er nach all den Jahren noch war. Das hat mir bewusst gemacht, dass Wein mehr ist als ein Getränk – er ist ein Zeitdokument. Jede Flasche erzählt von einem Jahr, einem Ort und von den Menschen, die sie begleitet haben.

Unsere letzte Frage: Was ist dein Lieblingswein? Kannst du uns erzählen, wie du deinen persönlichen Lieblingswein kennen- und lieben gelernt haben?  

Mein Herz schlägt eindeutig für Riesling. Ich habe ihn für mich entdeckt, als ich verstanden habe, wie vielseitig er sein kann: kristallklar und straff, manchmal verspielt, manchmal ernsthaft, immer voller Charakter. Am meisten berührt mich Riesling von kargen Lagen, wie zum Beispiel von der Mosel oder Saar, wo er puristisch und präzise wird. Diese Spannung zwischen Klarheit und Tiefe hat mich seit dem Jahrgang 2007 nicht mehr losgelassen – seither ist Riesling mein persönlicher Lieblingswein.



Wir bedanken uns herzlich für das nette und spannende Gespräch mit dir, Urban.

Lesehof Stagård

Das traditionsreiche Familienweingut im niederösterreichischen Kremstal verbindet skandinavische Wurzeln mit österreichischer Weinbaukultur. Seit 1786 wird hier Wein gemacht. Heute prägt Urban T. Stagård den Betrieb mit einer klaren Handschrift: biodynamische Bewirtschaftung, Handarbeit im Weinberg und ein Fokus auf charakterstarke Rieslinge und Grüner Veltliner. Die Weine zeichnen sich durch Eleganz, Präzision und Mineralität aus, geprägt vom kargen Urgestein der Region und einer nachhaltigen Philosophie, die Herkunft und Terroir in den Vordergrund stellt. 

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